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3 Globale Ungleichheiten

Bevor unter dem Gesichtspunkt globaler Ungleichheiten die Auswirkung des Internets auf die fortgesetzte Ausbeutung der Länder der dritten Welt durch die Länder der Triade betrachtet werden soll, muss herausgestellt werden, vor welchem Hintergrund bereits existierender Benachteiligungen auf dem Informations- und Kommunikationssektor eine häufig nur noch absurd zu nennende Diskussion über die Möglichkeiten der Dritten Welt zur Teilhabe an weltumspannenden Datennetzen geführt wird.

Der Abstand der Drittweltländer zu den Industriestaaten in Bezug auf die Ausstattung mit Telekommunikationsinfrastruktur wächst ständig. So besitzen 80% der Weltbevölkerung keinen Telefonanschluß191, fundamentale Voraussetzung einer individuellen Teilhabe an modernen Kommunikationsstrukturen, und die Hälfte der Weltbevölkerung hat noch nicht einmal telefoniert192. Noch deutlicher ist das Verhältnis des reichsten Fünftels der Weltbevölkerung, die 74% der Anschlüsse besitzen, gegenüber einem Prozent, die sich im Besitz des ärmsten Fünftels befinden193.

Es steht außer Frage, dass der Löwenanteil der Netz-Infrastruktur einerseits in den Ländern der Triade steht, weiterhin die Möglichkeiten (Information, erleichterte Kommunikation, Handel, erwirtschafteter Profit) wiederum hauptsächlich diesen Ländern zugute kommen. Dass in den Statistiken der Internethosts in den Ländern Staaten wie Tonga oder Tuvalu mit im Spitzenfeld liegen, liegt einzig daran, dass ihre Länderkennungen.to (über move.to, come.to, kickme.to usw.) und.tv (für Fernsehsender und -sendungen) gut vermarktet werden können.

Aktuell sind Entwicklungsländer im Internet praktisch nicht vertreten. 2,9% der Hostrechner standen 1998 in Asien und Ozeanien, in Lateinamerika befanden sich noch 1,2% und in Afrika 0,5%, von jenen wiederum der größte Teil in Südafrika194. Während ein Rechner in den USA für ein Monatsgehalt zu erwerben ist, kostet er in Bangla Desh derer acht. Die zwei folgenden Jahre änderten trotz der immensen Dynamik der Internetentwicklung an diesem Ungleichgewicht nichts, Afemann schreibt 2001:

"`Im November 2000 waren weltweit 378 Millionen Menschen oder 6% der Weltbevölkerung im Internet [...]. Von den Nordamerikanern hatten 54%, von den Deutschen 22%, von den Chinesen nur 1,3% und von den knapp 800 Millionen Afrikanern nicht einmal 0,4% Zugang zum Internet. Von den gut drei Millionen Afrikanern mit Internetzugang kommen allein 1,8 Millionen aus der Republik Südafrika. In den anderen afrikanischen Ländern hat durchschnittlich nur einer von 10 000 oder 0,01% der Bevölkerung Zugang zum weltweiten Datennetz."'195

Wenn sich auch der Anteil der Frauen an den Internetnutzern in den Industrieländern kontinuierlich erhöht und sich an die 50% annähert196, gilt dieser Trend für Entwicklungsländer nicht. Afemann führt zu den dortigen Zuständen folgendes Zitat an:

"`Frauen sind kein Teil dieser Informationstechnologie, denn sie besuchen keine Schule, sie bilden die Mehrheit der Armen und besitzen kein Geld zum Kauf eines Computers. Es ist ein Problem der Stellung der Frau in der (afrikanischen) Gesellschaft. Programme und Informationen sind unverdaulich, denn alles ist auf Englisch."'197

Eine Demografie lateinamerikanischer NutzerInnen ergibt einen Anteil von 78% Hochschulangehörigen und denselben Prozentsatz an männlichen Nutzern. Anders als in den Industrieländern ist das nichtakademische Umfeld gewöhnlich nicht in der Lage, die Informationsvorsprünge der intellektuellen Eliten mit materiellen Mitteln aufzuholen.

Bei der Frage nach dem anwachsenden Abstand oder des Aufholens von Entwicklungsländern wird zumeist die Frage nach dem Netzzugang an die erste Stelle gesetzt. Die Ansicht, dass dieser unerlässlich für die Entwicklung der benachteiligten Drittweltländer und eine einseitig positiv beeinflussende Größe ist, wird von der Weltbank vehement vertreten. In den Wirtschaftsprognosen 2001 kommt die klare Stellungnahme zum Ausdruck:

"`Dem neuen Bericht zufolge ist das Internet Doping für die Globalisierung. Die neue Technologie wird insbesondere in den Entwicklungsländern, die bislang durch einen unzureichenden Informationszugriff benachteiligt waren, zu mehr Effizienz verhelfen und die Integration der Erzeuger auf in- und ausländischen Märkten fördern. Das Internet dürfte demzufolge das internationale Wirtschaftswachstum fördern. Andererseits bringt es jedoch auch die Gefahr mit sich, dass solche Länder, die keinen effektiven Zugang zu dieser Technologie haben, wirtschaftlich noch weiter ins Hintertreffen geraten."'198

Im Tenor kritisiert die Weltbank in ihrem Bericht vor allem die Behinderung der Entwicklung der Drittweltländer durch die immer noch nicht ausreichend deregulierten Märkte199. Eindringlich wird einerseits der Protektionismus der Industriestaaten beklagt, auf der anderen Seite wird die Notwendigkeit einer weiteren Öffnung der Drittweltländer für ausländische Direktinvestitionen gefordert. Der Hauptverfasser der 2001-Prognosen, Bill Shaw, wird mit folgenden Worten zitiert:

"`Die Entwicklungsländer müssen für Handel und internationale Direktinvestitionen offen bleiben, um die jüngsten technologischen Innovationen aufnehmen zu können. Länder, die mit dem technologischen Fortschritt nicht Schritt halten können, laufen Gefahr ins Hintertreffen zu geraten, da das Internet in der Weltwirtschaft eine immer größere Rolle spielt. [...] Die Entwicklungsländer stehen heute der Herausforderung gegenüber, die vom Internet gebotene Chance im Hinblick auf die Unterstützung des Wirtschaftswachstums zu nutzen und eine Ausweitung der technologischen Kluft zu verhindern."'200

Ausdrücklich wird dabei betont, dass die Lage der einzelnen wohl keine Veränderung erfährt, aber auf der Ebene der kleineren Betriebe die Anbindung an den Welthandel mittels Internettechnologie gefördert werden müsse. Die Entwicklungsländer sollten versuchen, mit den Industrieländern auf Gebieten wie der Softwareproduktion und Teledienstleistungen, explizit genannt wird die ,Fernverarbeitung von Routineinformationen', in Konkurrenz zu treten.

ähnlich argumentiert Denis Kapuku Mukuna von der NGO epo, ,Entwicklungspolitik Online', wenn er vor allem die Chancen herausstellt, die gerade den afrikanischen Staaten mit dem Internet aufgetan werden. Das Internet sei demnach in erster Linie ein Medium, das anscheinend unaufwendig Teilhabe an den Errungenschaften der westlichen Welt, ihren Datenbanken, ihren Kommunikationskanälen und ihren Bildungsmöglichkeiten schaffe. Die Isolierung der afrikanischen Universitäten könne mittels des Internet aufgehoben werden, gar die Alphabetisierung entscheidend vorangetrieben werden. Der im Artikel vorherrschende Optimismus gipfelt in der Vorstellung,

"`... afrikanische(n) Länder, ihre Regierungen, Ministerien und die privaten Unternehmen können ihr Know-how, Handel und Produkte über das Internet vermarkten - mit dem Ziel, Investoren, Aktionäre, Geldgeber zu gewinnen. Die Vorteile sind: Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen, Devisen, Zugang zu Märkten, Schaffung von Arbeitsplätzen usw. Das World Wide Web ist eine angepasste technische Lösung, kleine afrikanische Unternehmen bekannt zu machen..."'201

In der Streitfrage, ob das Internet (auch in Anbetracht der Skepsis gegenüber westlicher Hochtechnologie) eine Entwicklungschance im afrikanischen Raum darstellt, vertritt Mukuna die Ansicht, dass sich das Internet als unerlässliches Mittel zur Stärkung der Position von Kleinunternehmen, Kooperativen und Genossenschaften in Afrika durchsetzen wird. Den maßgeblichen Hinderungsgrund für eine Weiterentwicklung des Netzes in Afrika sieht er in die Furcht einiger afrikanischer Regierungen vor dem Verlust lokaler Herrschaftsmacht im Gefolge der Vernetzung ihres Landes und ihren schlechten Möglichkeiten, den demokratisierenden Einfluß des Netzes kontrollieren zu können. Das Internet gäbe "`Afrikanern die Möglichkeit, sich frei zu äußern und aktiv an den politischen Entscheidungen teilzuhaben..."'202 Man muss sich vor Augen halten, dass dieser Text von einem Angehörigen einer NGO geschrieben ist, die die Stärkung afrikanischer Positionen in der Weltpolitik zum Ziel hat. Die einflussgebende und demokratisierende Wirkung eines Mediums zu beschwören, welches nicht einmal in den Industrieländern gewährleistet, dass sich Arbeitnehmerorganisationen über das Netz gleichberechtigt austauschen können, obwohl die Ausschließlichkeit seiner Nutzung durch die Eliten in ökonomisch schlechter gestellten Staaten vollkommen offensichtlich ist, ist nur naiv zu nennen.

Die UN-Wirtschaftskommission äußerte sich 1996 dahingehend, dass die Schaffung von Netzzugängen in Afrika positive Auswirkungen auf Arbeitsmärkte (durch die Ansiedlung von IT-Unternehmen), Gesundheitswesen, Ausbildung und Forschung, Kultur und Traditionspflege, Handel und Tourismus, Ernährungsversorgung, Frauenrechte und Emanzipation habe sowie verbesserte Sicherheit bei und vor Naturkatastrophen biete.203

Bereits 1996 sind die Kontroversen zum Thema in anderen Medien jedoch differenzierter als selbst im 2000er-Bericht der Weltbank. So äußern sich beispielsweise Afemann im "`Forum Wissenschaft"' und Alain Gresh oder Pascal Renaud/Asdrad Torres in der ,Le Monde Diplomatique' völlig kontrovers zu der Thematik, obgleich sie sich auf weitgehend identisches Datenmaterial stützen. Die Argumentation verläuft weitgehend entlang der beiden Positionen ,Netzzugang ist zwar ein Privileg und eher die Ausnahme, aber trotzdem der Entwicklung des Landes und der dort lebenden Menschen förderlich' contra ,fehlender Zugang ist eine Benachteiligung, welche den Normalfall darstellt und die individuelle sowie nationale Teilhabe an gesellschaftlichem Reichtum und weiteren Entwicklungsoptionen schmälert; die Nachteile wie die Verschärfung der Spaltung zwischen Arm und Reich und die mögliche Ausbeutung durch Westkonzerne, sei es der IT-Sektor, der Arbeitskraft abzieht oder seien es die Telekommunikationskonzerne, die die Infrastruktur stellen und sich bezahlen lassen, überwiegen die Vorteile der kleinen privilegierten Klasse der Information Rich.'.

überhaupt ist es die Regel, dass oftmals der Zugang zu den Informationsangeboten des Internet den Menschen in den Ländern des Trikont generell wenig bis keinen Nutzen verschaffen würde. Netznutzer sind üblicherweise die ohnehin bevorzugten Eliten eines Landes,204 Informationsangebote im Internet richten sich ohnehin größtenteils explizit oder stillschweigend an den westlichen ,Netznormalbenutzer', einem Menschen mit gewissen finanziellen Möglichkeiten. Angebote von Netzzugängen in Entwicklungsländern wenden sich auch dort von vorneherein ausschließlich an zahlungskräftige Gruppen. Zynisch kann man nach den Segnungen des kostenfreien Zugangs zur medline und zu medizinischen Datenbanken fragen, wenn es an Medikamenten fehlt.

Dieses Phänomen der Ausrichtung des Netzangebots auf die bessergestellten Schichten kann man bis hinein in die Industrieländer beobachten, wenn es beispielsweise um die Ausbaustufen von Hochgeschwindigkeitsnetzen geht: Stadt vor Land, die Wirtschaftszentren vor den Siedlungen schlechter Verdienender. In den Drittweltländern werden nach derselben Logik die Metropolen angeschlossen, eine gleichzeitige wirkungsvolle Exklusion der Benachteiligten findet mittels der finanzieller Zugangsschwelle und der räumlichen Abtrennung der ,Netzstandorte' von den exkludierten Regionen Land und Slum statt.205



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Richard Joos; 6. Februar 2002