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1 Position: Nutzen für die Menschen mit Netzzugang

Gresh führt zur Illustration seiner optimistischen Position folgende Beispiele für die entwicklungsfördernde Wirkung eines Netzzugangs an:

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die neue Option von Landärzten in Sambia, Hauptstadtkrankenhäuser um Rat zu fragen, wenn sie mit einem Fall nicht zurechtkamen
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eine lokale mexikanische Frauenorganisation, die durch Informationen aus dem Internet ihre Verhandlungsposition mit einer amerikanischen Textilfirma verbessern konnte, die im Ort eine Niederlassung gründete,
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eine Schule in einem Migrantenviertel in den USA, deren SchülerInnen nach dem Start eines Pilotversuchs mit kostenloser Computerausstattung die besten Ergebnisse des Distrikts erzielten.206

Demnach entstünden natürlich während der Einführungsphase neue Ungleichheiten und Spaltungen zwischen den bereits Vernetzten und den Unvernetzten. Menschen mit mehr Wissen, mehr materiellen und intellektuellen Ressourcen befinden sich in einer privilegierten Situation, auch und gerade, was die Möglichkeiten zur Nutzung neuer Kommunikations- und Informationsstrukturen angeht. Dennoch ist das angestrebte Resultat der Anbindung ans Internet ein Vorteil für alle, wenn dereinst die Möglichkeiten der Informationstechnologie tatsächlich auch für alle zur Verfügung stehen. Problematisch ist und bleibt allein, dass durch die temporären Ungleichheiten während der Einführung eine spätere nivellierende Entwicklungsphase möglicherweise nicht mehr erreicht werden kann, da der Vorsprung durch die Beschleunigung der Verwertungstechnologie uneinholbar wird bzw. bis zur letztendlichen ,Gleichvernetzung' die Abhängigkeiten der unterentwickelten Regionen von den hochtechnisierten Regionen so total geworden ist, dass eine spätere Nachtechnisierung an diesem Unterschied nichts mehr ändert, sondern nur eine effizientere Ausbeutung der auf Dauer dequalifizierten Arbeitskräfte in den früher schwächer vernetzten Regionen erlaubt.

In eine ähnliche Richtung der ,Chance Internet' argumentieren Renaud und Torres. Der um Größenordnungen geringeren Vernetzung von Trikontländern setzen sie den effizienteren Einsatz der Technik in diesen Ländern entgegen:

"`Jeder Internetzugang wird zu einer wertvollen Ressource. In Tunis oder in Lima werden alle ans Netz angeschlossenen Rechner auch benutzt, was in Deutschland oder in den USA keineswegs der Fall ist, und noch im kleinsten PC gibt es Dutzende von Mailboxen, so dass mehrere Benutzer hier nacheinander ihre Post erledigen können..."'207

Ebenso optimistisch schätzen sie die Wirkungen der Vernetzung in der dritten Welt auf den Brain Drain ein und zitieren einen Doktoranden aus Kamerun mit den Worten:

"`Wenn ich in Yaounde einen sicheren und vollständigen Zugang zum Internet habe, arbeite ich lieber in meinem Land, auch wenn ich nur ein Drittel von dem verdiene, was man in Europa bekommt..."'208


und ergänzen:

"`Dieser Punkt, in dem sich viele Wissenschaftler einig sind, zeigt, wie wichtig das Internet für den Süden ist. Es handelt sich nicht um ein Wundermittel oder um eine Art Abkürzung auf dem Weg zu Wissen und Wohlstand, wohl aber um eine Möglichkeit, die besten Köpfe zum Bleiben zu bewegen"'.209

Das weiter unten angeführte Beispiel Indien zeigt, dass diese Analyse noch nicht unhinterfragt verallgemeinerbar ist. Angesichts des IT-Fachkräftemangels in den Industrieländern und der wachsenden Bereitschaft zur kontrollierten Einwanderung in den bisher diesbezüglich eher skeptisch eingestellten EU-Ländern könnte dieser Versuch der Steigerung der Attraktivität des Herkunftslands für potentielle Auswanderer leicht konterkariert werden.


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Richard Joos; 6. Februar 2002