Prinzipiell kann man auf der Providerseite von zwei Möglichkeiten der Filterung respektive der Kontrolle über die Netzinhalte sprechen, die anhand der ,Erfolge' zweier linker Aktionsgruppen256 exemplarisch vorgestellt werden sollen.
Jeder Webinhalt liegt bei einem Webspaceprovider, jedes Emailaccount ist auf einem bestimmten Mailserver eingerichtet, Betreiber von Newsgroupservern haben die Möglichkeit, konkrete Newsgroups anzubieten oder dies bleiben zu lassen (so wurde die bereits vorgestellte alt.-Hierarchie von vielen universitären Newsservern nicht angeboten, andere liessen nur selektiv Gruppen mit hohem Datenaufkommen - alt.erotica.binaries.pictures beispielsweise - weg).
Im Zuge des aktuellen Staatsantifaschismus ist es relativ einfach geworden, deutsche Provider davon zu überzeugen, dass es ihrem Ansehen (und verbunden damit ihren Umsätzen) nicht gut tut, wenn sie rechtsextremistische Webseiten hosten. Nach der peinlichen Panne beim Provider Strato, welcher unbesehen die Domain www.heil-hitler.de eingerichtet hatte und dafür massiv kritisiert wurde, wurden Adressen mit strafrechtlich relevanten Namen schnell gesperrt.
Inhalte von rechten Netzseiten wurden beispielsweise von der Netz-Antifa regelmäßig observiert und strafrechtlich bedenkliche Inhalte den Providern gemeldet, welche dann meist die Präsenz löschten. Im Endeffekt wird damit bewirkt, dass rechtsextreme Seiten zunehmend bei US-amerikanischen Providern gehosted werden, bei denen das Recht auf freie Meinungsäußerung auch Inhalte dieser Art schützt, beliebt sind beispielsweise yoderanium.com und front14.org. ähnlich läuft die aktuelle Aktion zum Boykott des Emailproviders gmx, welcher entgegen seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtsextreme Mailadressen nur in den seltensten Fällen löschte.257
Man hat es hier mit einer nahezu deckungsgleichen Adaption der Konflikte zwischen rechter und linker Szene im ,Real Life' zu tun, es wird versucht, gegnerische Kommunikation zu stören und den ,öffentlichen Raum' zu beherrschen. An Ansichten und letztendlich auch den Kommunikationsinfrastrukturen ändert sich nichts, Öffentlichkeit und Vernetzung bleiben erhalten, man macht sich zwar das Leben schwer, wo möglich, aber mehr als der symbolische Akt, den.de,.ch und.at-Namensraum von militant faschistischen Inhalten freizuhalten, kann auf diese Art nicht erreicht werden. Demonstriert wird immerhin die Unerwünschtheit der jeweiligen Ansichten im jeweiligen Land, verallgemeinert könnte man sagen, dass Ansichten, die aktuell unpopulär sind, eben der Landesgrenzen verwiesen werden und ihre Vertreter den vermehrten Aufwand haben, sich um ausländische Hoster zu kümmern.
Auf Betreiben der Schweizer Organisation von überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen ,Aktion Kinder des Holocaust' sperrten die Schweizer Provider Swisscom und Sunrise/Diax "`754 rechtsextreme Internetsites"' (dpa). Genauer betrachtet wurde nur der besagte Server www.front14.org gesperrt, d.h., alle rechtsextremen Seiten, die von diesem Webspaceprovider gehosted waren, sind von den KundInnen der besagten Schweizer Provider nur erschwert abrufbar. Hier wurde definitiv das Recht auf die informelle Selbstbestimmung der Netznutzer ausgehebelt und eine Bevormundung seitens der Provider eingeführt.258
In Anbetracht dessen, dass eine solche Zensurmaßnahme aktuell noch alles andere als wirkungsvoll ist, sollte der konkreten Aktion wenig Gewicht beigemessen werden. Bereits die Sperrung des niederländischen Providers xs4all.nl durch Compuserve, um eine Verbreitung der linksextremen Netzzeitschrift "`radikal"' zu verhindern, blieb durch das schnelle Erstellen von gespiegelten Seiten auf anderen Servern wirkungslos bis kontraproduktiv. Zumeist haben solche Sperrungen aktuell eher die Wirkung einer Werbeaktion für die betroffenen Seiten. Umgangen werden können die Sperren durch die bereits erwähnten Spiegelungen auf anderen Servern, durch das Verlagern der Distribution der Inhalte auf Mailinglisten, durch das Zwischenschalten von freien Proxyservern, welche nicht von der Sperre betroffen sind usw. Letztendlich wird so der Zugang zu den zensierten Inhalten üblicherweise erschwert und verstärkt an Netzkompetenz und Technikverständnis gebunden, aber keinesfalls verhindert. Hier wie im später angeführten Punkt der Zensur des öffentlich zugänglichen Angebots ist zu attestieren, dass höchstens das Bild, welches sich dem weniger interessierten Menschen bietet, ändert, die ,Netzrealität' ist für diejenigen, die nicht gewillt sind, allerlei technische Tricks anzuwenden, in eine bestimmte Richtung verschoben und geschönt.
Es ist bei einer solchen Praxis somit zu befürchten, dass einerseits die öffentliche Wahrnehmung extremistischer Inhalte manipuliert werden kann. Je nach Sperrpraxis können Bedrohungsgefühle so erzeugt oder gedämpft werden.
Weiterhin weist nichts darauf hin, dass es bei diesen Kriterien zur Kontrolle der sichtbaren Inhalte durch die Provider bleiben muss. Mit der Bereitschaft, auf entsprechende Weisungen mit Sperrungen zu reagieren, wird ebenso die Bereitschaft signalisiert, beliebige andere, unbequeme oder im jeweiligen Rechtsverständnis illegale Inhalte auf Antrag zu sperren. In dieselbe Richtung zielen momentan die Vorstöße der verschiedenen Phonogesellschaften wie der RIAA* und in Deutschland dem Landesverband der IPFI*, welche eine restriktivere Kontrolle der Distributionskanäle digitalisierter Musik fordern. So ist der Versuch der IFPI, mittels eines digitalen Codes, welcher in unhörbarer Form in der digitalen Aufnahme eines Musikstücks codiert ist, nur dann von einer gewissen Logik, wenn gleichzeitig der digitale Austausch eben dieser Daten auf irgendeine Art und Weise weitgehend flächendeckend kontrolliert werden kann.259 Hier gilt, wie überall anders auch, dass ,ein bisschen Zensur' schlicht nicht möglich ist. Die Kriterien, was momentan politisch korrekt ist, mögen sich ändern, die Bestrebungen, vor allem den Transport digitalisierter, copyrightgeschützter Daten zu kontrollieren und zu beschränken, werden von für ihre Ausdauer und ihren Einflussreichtum bekannten Institutionen getragen.