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1 Der Begriff der Technik

Der Begriff der Technik leitet sich von dem griechischen Begriff der techne ab, welcher in Abgrenzung zur erkennenden Wissenschaft, der episteme, ein bestimmtes Können umfasst und im griechischen Altertum noch in verstärktem Maß zwischen der reinen Erkenntnis und dem mehr oder weniger vom Verstehen geleiteten, praktischem Tätigsein unterschieden hat.78 Diese Trennung zwischen Praxis und Erkenntnis wird im modernen Verständnis von Technik nicht mehr gezogen. Vielmehr hat heute ,Technik' mehrere Bedeutungsebenen, die meist zusammengenommen als konstituierende Elemente des Technikbegriffs betrachtet werden.

Zum einen wird Technik demnach als Summe der Artefakte (nach Ropohl: der Sachsysteme79) verstanden, die im Zuge der sukzessiven Naturaneignung und -überbauung von Menschen geschaffen wurden. Polarisierend wirkt bei diesem Begriff nicht das Verhältnis von Gesellschaft und Artefakt, sondern das von Technik zu Natur, d.h. die Definition von Technik als nicht mehr im natürlichen Zustand belassene Materie.

Weiterhin kann unter Technik der Prozess der Herstellung eben dieser Artefakte gemeint sein, und drittens wird unter Technik auch das notwendige Wissen und das Geschick dessen verstanden, der solche Artefakte einerseits herstellen und andererseits benutzen kann. So existiert als Artefakt die Angelrute, hinzu kommt das notwendige Wissen über die Fertigungsweise der Angelrute dazu, weiterhin das Wissen um die Handhabung der Rute und um die benötigten Angeltechniken. Zuletzt erhält die Technik durch ihre institutionalisierte Weitergabe gesellschaftliche Dauer, indem Gebräuche und Institutionen geschaffen werden, die garantieren, dass das Wissen um Herstellung und Handhabung von Angelruten auch künftigen Generationen zur Verfügung steht. Hierbei sind die Grenzen fließend, gerade im Zeitalter digitaler Speichermedien geht das Konservieren und die Weitergabe von Wissen mit dem Konservieren von Artekakten selber einher.

Rammert fasst techne einerseits als ``Handwerken''80 auf, trennt aber das notwendige Wissen nicht von diesem Tätigsein ab. Halfmann definiert ausführlicher Technik als ``...eine Aktivität, ein Handlungsmuster von jemandem, der sich auf etwas versteht''81. Im Begriff des Tätigseins ist somit explizit die angeeignete Kompetenz und das gesammelte Wissen des Ausführenden enthalten. So fand eine Verschiebung der Polarisierungen statt: Im Mittelalter wurde Technisierung als Gegenpol zu einer übermächtigen Natur betrachtet, die Anwendung von Technik konnte als "`Parallelaktion zur göttlichen Schöpfung"' begriffen werden, wohingegen spätestens seit Marx die Aspekte der Technik als Naturaneignung und Antagonist der Naturgewalten einerseits und als gesellschaftsveränderndes Moment als Mittel zur Profitsteigerung andererseits nebeneinander stehen. In der Neuzeit wird für die Techniksoziologie aber zunehmend der Aspekt der gesellschaftlichen Auswirkungen der Technik interessant.82

Eine Zusammenführung der drei Aspekte Artefakte, Herstellung und Wissen versucht Rammert mit der These, dass von der Reduktion auf die erste Bedeutungsebene von Technik, die Summe der Artefakte, seit Bestehen der soziologischen Analyse fortlaufend weitere Abstraktionsebenen in den verwendeten Technikbegriff eingeflossen sind. Von der machina, die mechanisch die Grenzen der menschlichen Kraft und Geschicklichkeit nachahmt und überschreitet, als Leitbegriff und grundlegenden Gegenstand der Technik ging man in den letzten Jahren zu einem kybernetischen Begriff der Technik über: als nicht mehr an die stoffliche Erscheinungsform gebunden, sondern als

"`... formales Operationsschema, das die stoffliche, energetische und informationelle Transformation von gegebenen Inputs in gewünschte Outputs eindeutig regelt... Dieser informations- und systemtheoretische Technikbegriff markiert den Übergang zu einer nachindustriellen Technikentwicklung."'83

In dieser Auffassung von Technik werden sowohl Wissen als auch Prozesse und Artefakte gleichgestellt zu konstituierenden Faktoren eines Gesellschaftssystems, welches quer zu den bisherigen Systemen liegt.

Im Angelsächsischen hat der Begriff der "`technology"' den bislang analogen Begriff der "`technics"' verdrängt. Trennscharf verwendet wäre "`Technologie"' die Bezeichnung für die Wissenschaft von der Technik. So schreibt Ropohl, dass Technik einen "`bestimmten Bereich der Erfahrungswirklichkeit"' bezeichnet, Technologie hingegen "`die Menge wissenschaftlich systematisierter Aussagen über jenen Wirklichkeitsbereich"'.84 Die Verwässerung des Begriffs macht diesen Gebrauch tendenziell unmöglich.85 Auch dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Artefakte, die stattfindenden Prozesse und das Wissen zunehmend als zusammengehöriges System gedacht werden, welches konstitutiv für Technik ist, äquivalent dazu, wie beispielsweise die Konstitution des Universums aus Masse, Energie und Information gedacht werden kann.


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Richard Joos; 6. Februar 2002