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5 ICANN und das Eigentum

ICANN gibt sich den Anspruch, eine unabhängige, transnationale Non-Profit-Organisation zu sein, welche die Selbstverwaltung des Internet garantiert. Jedoch bleibt festzustellen, dass die ICANN-Politik eng ans Markenrecht einerseits gekoppelt ist, andererseits im Zweifelsfall an der Durchsetzung US-amerikanischer Rechtsgrundlagen interessiert ist. Momentan ist der A-Root Name Server die einzige verbindliche Datenbank für Domainnamen. Sein Standort ist in den USA und ICANN ist letztendlich eine nach kalifornischem Recht funktionierende Organisation, die im Zweifelsfall dieses Recht durchsetzt. Als Beispiel soll hier die Sperrung der umstrittenen vote-auction.com Seite angeführt werden. Auf der Seite wurden Wählerstimmen zur US-Präsidentschaftswahl zur Versteigerung angeboten. Registriert bei einem deutschen ISP und eingetragen beim Root-Server von CORE, einem in der Schweiz ansässiger ISP*, konnte dennoch binnen kurzem eine Sperrung der Domäne durchgesetzt werden.77

Der Schutz der nationalstaatlichen Rechte könnte durchaus als legitime Aufgabe einer supranationalen Organisation gesehen werden, jedoch bleibt ob der Einmaligkeit der Sperrung von Domainnamen aus einem solchen Grund (typischerweise im Interesse der USA) ein schaler Beigeschmack, wenn andere Entscheidungen der ICANN* über Sperrungen von Domainnamen überwiegend dem Schutz der Verwertungsrechte von Konzernen an Markennamen dienen.

Die Bewahrung der internationalen Bereiche des Internet als Adressraum, in dem ausschließlich die Eigentumsrechte der Markeninhaber gelten, ist eine bewusste Entscheidung, der keine faktische Notwendigkeit entgegensteht; mehrere Möglichkeiten zur Schaffung eines Namensraums, in dem eindeutig klar wäre, dass die Adressbezeichnungen nichts mit Eigentumsverhältnissen zu tun haben, wurden versäumt. Erste Priorität scheint das Durchsetzen von Eigentumsrechten privater Firmen zu sein, Ziele wie die Anpassung des Namensraums an multilinguale Systeme, die Dezentralisierung der Verwaltung internationaler Domains und die Erleichterung der Einrichtung sprechender Adressnamen, welche unabhängig von und kritisch gegenüber den NamensrechtseignerInnen sind, warten dagegen bis heute auf ihre Umsetzung. Während Barlow noch seinen Traum der vollkommenen Rechtsfreiheit des Internet proklamierte, wurde das Namensrecht als erstes Eigentumsrecht im Internet umgesetzt.


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Richard Joos; 6. Februar 2002