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2 Position: Verschärfung von Ungleichheit, keine Lösung der eigentlichen Probleme

Umgekehrt kann man das Argument dahin wenden, dass ein weiteres, teures westliches Industrieprodukt in die Drittweltländer verkauft werden kann und muss, will man wenigstens den Brain Drain verhindern, ganz zu schweigen von der Frage, für wen diese Experten dann arbeiten werden. Eine aus Sicht der westlichen IT-Unternehmen optimierte Struktur wäre natürlich ein Verbleiben der Experten im Herkunftsland, wo sie Arbeit leisten, die vor allem Westkonzernen zugute kommt, diese jedoch nicht ihre Stammland-Gehälter zahlen müssen und nebenbei das Problem der Ausländerfeindlichkeit im Fall einer Zuwanderung umgehen. Dass diese Motivation zum Bleiben jedoch von vorneherein nicht funktioniert und die aus der Vernetzung resultierende Steigerung der Attraktivität des heimischen Arbeitsplatzes nicht eintrifft, beschreibt Afemann in seiner Analyse der Auswirkungen der Globalisierung und der gestiegenen Nachfrage nach Fachkräften in den Industrieländern in Bezug auf die IT-Industrie in Indien:

"`Jährlich verlassen 30% der Beschäftigten der Softwareindustrie das Land, um ihre erworbenen Kenntnisse zu besseren finanziellen Bedingungen im Ausland, meistens in den USA, zu vermarkten. Der ,brain drain', den man zu verhindern suchte, hält unvermittelt an."'210

Implizit folgt aus diesen Trends auch der globale Wettbewerb in der Informationsarbeit, der mittels der gewinnbringenden PC- und Netzinfrastrukturverkäufe erst ermöglicht wird. An den traditionellen Problemen der Drittweltländer ändert sich nichts: die verbesserten Diagnosemöglichkeiten einer Erkrankung per Datenbankunterstützung ist relativ nutzlos, wenn es an sauberem Trinkwasser fehlt. Eine weitere Abwägung, die man machen muss, wäre die zwischen der Schaffung einer notwendigerweise kleinen Informationselite in einem Land, während andererseits die Alphabetisierung der breiten Masse nicht stattfindet.

In dieselbe Richtung führt die Betrachtung der Hoffnungen, die in die demokratisierende Wirkung des Internet gesetzt werden. Wohl kann dem Medium eine strukturelle Unterstützung von eher um Offenheit und Transparenz bemühter Gruppen und der Schaffung von Kommunikationskanälen und damit der Selbstorganisation nicht abgesprochen werden. Andererseits ist im Rahmen der anstehenden Elitenbildung durch das Privileg des Zugangs zur vernetzten Welt eher ein weiteres Auseinanderklaffen der sozialen Schere in den Entwicklungsländern zu erwarten.

Letztendlich kommt die neue Technologie global wie lokal einer Minderheit zugute. So schreibt Grote:

"`Im letzten Bericht des Entwicklungshilfeprogramms der Vereinten Nationen
(UNDP) über die menschliche Entwicklung hat sich ein unabhängiges Expertenteam im Auftrag der UN-Organisation mit den Gewinnern und den Verlierern der Globalisierung beschäftigt. Das Ergebnis ist so erschreckend wie eindeutig: Während die Kräfte der Globalisierung den wenigen, denen es gelang, die Vorteile des wachsenden Stroms von Waren und Dienstleistungen über nationale Grenzen hinweg zu nutzen, beispiellosen Reichtum beschert haben, wurde die Mehrheit an den Rand gedrängt... In knapp 85 Ländern gehe es den Menschen in mehrfacher Hinsicht schlechter als noch vor zehn Jahren."'211

Ob vor diesem Hintergrund die Einführung einer Technologie, die in ihrer Kapitalintensivität von kaum einer anderen Kommunikationstechnik zu überbieten ist, ist zumindest fraglich. Afemann fragt dementsprechend:

"`...ob der Zugang zum Internet für alle wirklich so wichtig ist. In vielen Ländern sind nicht einmal die UNESCO-Forderungen bezüglich der Informationsversorgung befriedigt, als da sind: 10 Zeitungen, 5 Radios und 2 Kinosessel pro 100 EinwohnerInnen."'212


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Richard Joos; 6. Februar 2002